F. Python: Freiburg, eine Stadt im 19. und 20. Jahrhundert

Titel
Freiburg, eine Stadt im 19. und 20. Jahrhundert / Fribourg, une ville au 19e et 20e siècles.


Herausgeber
Python, Francis
Erschienen
Fribourg 2007: Editions la Sarine
Anzahl Seiten
479 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christian Lüthi, Universitätsbibliothek Bern

2007 feierte die Stadt Freiburg das 850-Jahr-Jubiläum ihrer Stadtgründung. Zu diesem Anlass erschienen mehrere Publikationen. Eine davon ist ein Handbuch zur Geschichte der Stadt im 19. und 20. Jahrhundert, das die Burgergemeinde Freiburg finanziert hat; das Stadtarchiv Freiburg bildete die logistische Drehscheibe des Projekts. Bezüglich Aufbau und Gestaltung orientiert sich die Publikation an der Berner Stadtgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, die 2003 erschienen ist. Unter der Leitung von Professor Francis Python beteiligten sich 25 Autorinnen und Autoren, die zum Teil auch eigene Forschungsarbeiten beisteuerten. Der reich illustrierte Band ist in fünf thematische Kapitel gegliedert: Politisches Leben, Wirtschaftliche Entwicklung, Gesellschaftliches Leben, Stadtentwicklung und Architektur, Kultur und Freizeit. Die meisten Texte sind französisch geschrieben, rund fünf Prozent deutsch. Zu jedem Unterkapitel enthält der Band jedoch eine Zusammenfassung in der jeweils anderen Sprache. Die Kapitel zur Politik und zur Wirtschaft sind chronologisch aufgebaut und beleuchten diese Themen umfassend. Die anderen drei Kapitel konzentrieren sich auf Einzelaspekte, da viele Themen zu wenig erforscht sind.

Die Hauptstadt des katholischen Kantons Freiburg war politisch und gesellschaftlich, wie ihr Umland, bis Ende des 20. Jahrhunderts konservativ geprägt, die Einwohnerschaft wählte erstmals 2006 einen Sozialdemokraten zum Stadtpräsidenten. Der Kanton griff lange Zeit stark in das lokale Geschehen ein. Die Kantonsbehörden ernannten zum Beispiel bis 1895 den Gemeindeammann. Freiburg gehörte nie zu den ganz grossen Schweizer Städten. Zwischen 1850 und 1914 fiel die Stadt vom zehnten auf den zwölften Rang unter den Schweizer Städten zurück; die von der Uhrenindustrie geprägten Städte Biel und Neuenburg übertrafen in dieser Zeit die Stadt Freiburg.

Im 19. Jahrhundert fehlte es nicht an Ideen von Unternehmerpersönlichkeiten. So schlug der Neuenburger Ingenieur Guillaume Ritter 1870 vor, ein Wasserkraftwerk mit Staumauer an der Saane zu bauen und damit mehreren Industriebetrieben im Perolles-Quartier Energie zu liefern. Das Projekt scheiterte, und die Industrialisierung setzte erst um 1900 richtig ein. Die 1900 gegründete Firma Chocolat Villars und die Brauerei Cardinal waren im 20. Jahrhundert die grössten Betriebe. Bis 1945 war die Freiburger Wirtschaft insgesamt nicht besonders dynamisch, erst von 1970 bis 1990 nahm die Zahl der Arbeitsplätze in der Stadt überdurchschnittlich zu. Deshalb nennt man diese Jahrzehnte auch «die 20 glorreichen Jahre» der Freiburger Wirtschaft.

Das Kapitel zur Freiburger Gesellschaft enthält eine detailreiche Analyse der
Bevölkerung von 1970 bis 2000. Im Vergleich mit 22 anderen mittelgrossen Schweizer Städten spielt die 1889 gegründete Universität mit ihren Studierenden in der sozialen Zusammensetzung der Stadt eine prägende Rolle. Ferner enthält dieses Kapitel Beiträge zur Entwicklung des Gesundheitswesens seit 1800, zur Prostitution, zum städtischen Waisenhaus sowie zur Arbeiterbewegung der Stadt.

Das Kapitel «Stadtentwicklung und Architektur» schildert die Entwicklung des
städtischen Raumes, öffentlicher Plätze und Grünanlagen und präsentiert Arbeiterquartiere sowie soziale Wohnungsbauten. Die Bilanz der Freiburger Architekturgeschichte fällt nüchtern aus: Die Stadt weist nur wenig herausragende Bauten auf, so den Neubau der Universität aus den 1930er-Jahren oder die grossen Hochbrücken. Es gab immer wieder Projekte lokaler Architekten, die aus verschiedenen Gründen nicht realisiert wurden.

Das Kapitel zu Kultur und Freizeit beschränkt sich auf Einzelthemen: Stadttheater, Kunst im 19. und 20. Jahrhundert, Musik, Religion, Zweisprachigkeit und Sport. Der Anhang des Bandes enthält Verzeichnisse der Mitglieder der Stadtbehörden, ein Personenregister sowie eine kurze Bibliografie, die nur die allerwichtigsten Nachweise liefert.

Insgesamt legt das Autorenteam eine thematisch breite, schön illustrierte Publikation zur jüngsten Geschichte Freiburgs vor. Es ist erfreulich, dass damit eine weitere Überblicksdarstellung einer Schweizer Stadt vorliegt, was den Vergleich mit Bern oder anderen Städten erleichtert. Einige Details liessen sich noch verbessern. So fehlen bei zahlreichen Abbildungen die Datierung und weitere Fakten zur Bildinterpretation. Obwohl auf den Vorsatzblättern ein Stadtplan von 1825 und ein Luftbild von 2002 abgedruckt sind, wäre für Auswärtige ein Stadtplan mit den Strassennamen nützlich, um Strassen- und Quartiernamen leichter verorten zu können.

Dem Band ist eine CD-ROM beigefügt, die spielerisch an die Geschichte Freiburgs heranführt. Zu den vier Zeitpunkten 1850, 1910, 1970 und 2007 lassen sich Animationen und Bilder zu verschiedenen Themen auf den Bildschirm holen. Die Scheibe enthält nicht nur Abbildungen, sondern auch Tondokumente, Musikstücke und Filme. Als Einstieg bietet ein Film eine dreidimensionale Reise aus der Vogelperspektive durch die rekonstruierte mittelalterliche Stadt. Drei Spiele machen das Thema ausserdem für Kinder zugänglich: Neben einem Memoryspiel zu Strassennamen und Personen muss man in zwei weiteren Spielen Brücken und Brunnen auf Stadtansichten richtig platzieren und lernt so die Topografie interaktiv kennen.

Zitierweise:
Christian Lüthi: Rezension zu: Python, Francis (Hrsg.): Freiburg, eine Stadt im 19. und 20. Jahrhundert = Fribourg, une ville au 19e et 20e siècles, Fribourg, Editions La Sarine, 2007. 479 S., CD-ROM, ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 70, Nr. 1, Bern 2008, S. 36f.

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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 70, Nr. 1, Bern 2008, S. 36f.

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